"Der Nachtragsliquidator ist keinem Organ mehr Rechenschaft schuldig." – Dieser Stehsatz findet sich in zahlreichen liechtensteinischen Entscheiden der vergangenen zwei Jahrzehnte. Zur Begründung wurde dabei stets die Dissertation "Die Beendigung mit Liquidation von Körperschaften des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts", Schaan, 2001, zitiert, die ihrerseits auf den Aufsatz "Die Nachtragsliquidation", LJZ 1990, 65 (66) – verweist. Dort wurde zwar festgestellt, dass sowohl das österreichische als auch das schweizerische Gesellschaftsrecht Rechenschaftspflichten des Nachtragsliquidators gegenüber dem "wiedererstandenen" obersten Organen kennt, eine solche Pflichten für den liechtensteinischen Rechtsbereich jedoch abgelehnt, mit der Begründung, dass es "bei den hier üblichen Sitzgesellschaften, auf die sich Nachtragsliquidationen nahezu ausschliesslich beziehen, wohl schwer, wenn nicht unmöglich wäre, die früheren Organe zu reaktivieren."
In einer am 24.04.2020 ergangenen Entscheidung in einem Verfahren, in welchem die durch LNR Rechtsanwälte vertretene Beschwerdeführerin die Abberufung der gerichtlich bestellten Nachtragsliquidatorin unter anderem wegen Verweigerung einer ordnungsgemässen Rechnungslegung begehrte, wandte sich der liechtensteinische Verwaltungsgerichtshof von dieser bisherigen Rechtsprechung ab:
In seinem Urteil, führt das Höchstgericht, dass auch ein Nachtragsliquidator so wie ein "regulärer" Liquidator der materiellen Überwachung des obersten Organs und nicht nur der auf formelle Kriterien beschränkten Aufsicht des Amtes für Justiz unterliegen solle, so wie jedes Verwaltungsorgan einer juristischen Person der Kontrolle (Aufsicht) des obersten Organs unterliegt. Auch der Nachtragsliquidator handle nicht auf eigene, sondern auf fremde Rechnung und sei schon deshalb aus der Natur der Sache heraus rechenschaftspflichtig. Kommt ein Nachtragsliquidator seinen Rechenschaftspflichten gegenüber dem obersten Organ nicht nach, könne das einen wichtigen Grund für seine Abberufung darstellen.
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"The supplementary liquidator is no longer accountable to any body." - This standing sentence can be found in numerous Liechtenstein decisions of the past two decades. The dissertation "Die Beendigung mit Liquidation von Körperschaften des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts", Schaan, 2001, which in turn refers to the essay "Die Nachtragsliquidation", LJZ 1990, 65 (66) - was always cited as justification. Although it was stated there that both Austrian and Swiss corporate law recognize accountability obligations of the supplementary liquidator vis-à-vis the "resurrected" supreme governing body, such an obligation was rejected for the Liechtenstein legal sphere on the grounds that "in the case of the domiciliary companies customary here, to which supplementary liquidations almost exclusively relate, it would probably be difficult, if not impossible, to reactivate the former governing bodies."
In a decision issued on April 24, 2020, in a proceeding in which the complainant, represented by LNR Attorneys at Law, sought the dismissal of the court-appointed supplementary liquidator on the grounds of, among other things, refusal to provide proper accounting, the Liechtenstein Administrative Court turned away from this previous case law:
In its ruling, the Supreme Court states that a supplementary liquidator, like a "regular" liquidator, should also be subject to the material supervision of the supreme body and not only to the supervision of the Office of Justice, which is limited to formal criteria, just as every administrative body of a legal entity is subject to the control (supervision) of the supreme body. The supplementary liquidator also does not act on his own account but on the account of a third party and is therefore accountable by the very nature of the matter. If a supplementary liquidator does not fulfill his accountability obligations to the supreme body, this could constitute an important reason for his dismissal.
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